Kürzlich wollte mir jemand weismachen, der Mensch sei dem Tier überlegen. So ein Quatsch.
Menschen schneiden im Vergleich mit Tieren ja nicht gut ab: Geparde rennen schneller, Hunde können besser riechen, Eulen hören besser, Adler sehen besser und Katzen sind hübscher.
«Aber Menschen sind intelligenter», wirft mein Gesprächspartner ein. Ist das so? Ich zünde mir die nächste Zigarette an.
«Menschen haben die Mathematik erfunden!», triumphiert er. Während ich abwäge, wie oft ein Kapuzineräffchen es wohl bedauert, nicht rechnen zu können, ruft mein Bekannter: «Menschen können aus einem Stein ein Kunstwerk machen!»
Ich sehe mein Gegenüber an: Da sitzt zwar ein Mensch, aber von Bildhauerei versteht der etwa so viel wie ein Kapuzineräffchen vom Zählen.
«Denk doch, was der Mensch alles erschaffen hat!»
Ich denke. Spontan fallen mir Kurzarbeit, Klimawandel und Klopapier ein. «Mann, bist du negativ», schnaubt der Mann.
Ich bin doch nicht negativ – ich werbe für Nachsicht: Was hat uns die Natur denn schon mitgegeben? Kein Fell, keine Krallen, keine Fangzähne, schlechte Augen und Ohren, einen verkümmerten Instinkt. Sich damit abzufinden, macht vieles leichter. Plustert sich zum Beispiel der Kollege wiedermal auf oder pinkelt Ihnen der Busfahrer ans Bein, indem er ohne Sie losfährt – nicht böse sein: Alles benachteiligte Säugetiere. Opfer ihrer Natur.
Autor: Iwon Blum, 12. Nov 2009, beobachter.ch